Ein Oszilloskop ist ein feines Messgerät. Es soll im Weiteren aber nicht um dessen Vorteile und Anwendung gehen, sondern um Fallstricke beim Messen.

Wenn man 230V-Netzspannung mit einem Oszilloskop direkt messen möchte besteht LEBENSGEFAHR!!

Darum fange ich damit an. Ganz vorne, weil es so wichtig ist.

Zunächst ein paar vorbereitende Fakten: Alle Masse-führenden Anschlüsse an Oszilloskopen sind aus Sicherheitsgründen mit dem Schutzleiter der Stromversorgung verbunden. Im Foto sieht man, dass es praktisch keinen Widerstand zwischen dem Schutzleiter der Steckdose und der Masse der Messanschlusses gibt (0,85 Ohm, sind hauptsächlich die Messleitungen), sie haben das selbe Potenzial:

In der Hausinstallation haben der blaue Neutralleiter (N) und der grün-gelbe Schutzleiter PE ebenfalls dasselbe Spannungspotenzial.

Was passiert, wenn man versucht mit einem Oszilloskop direkt die Netzspannung zu messen?

Fall 1, Die Messsonde misst an L, die Masseverbindung liegt an N:

 

 

Es würde vermutlich dunkel werden, wenn ein Fehlerstromschutzschalter im Haus eingebaut wurde, denn der würde möglicherweise auslösen. An der Steckdose liegen an der Messsonde 230V an. Die Masse-Leitung des Oszilloskops liegt am Neutralleiter N der Steckdose, ABER über die interne Verbindung im Oszilloskop eben auch am Schutzleiter. N und PE sind jetzt nach dem FI-Schutzschalter der Hausinstallation verbunden. Fließt ein ausreichender Strom, fällt der FI-Schutzschalter. Nicht so schlimm, es ist noch kein Schaden entstanden - noch nicht!

An Steckdosen zu messen hat einen ganz großen Nachteil - man weiß nicht, welcher Anschluss die Phase (L) und welcher Anschluss der Neutralleiter (N) führt. Im Fall 1 hatten wir noch Glück. Im Fall 2 nicht mehr.

Fall 2, Die Messsonde misst an N, die Masseverbindung liegt an L1.

"Bumm!" Die Phase L liegt direkt über die Gerätemasse und Hausinstallation am Schutzleiter (PE) = Kurzschluss! Mit etwas Glück fällt der FI-Schalter bevor die Überstromsicherung auslöst! Wenn man Pech hat und zufällig die Messsonde am Massering berührt (der oft blank ist, wie im Bild gezeigt), kann man je nach Qualität und Zustand der Hausinstallation einen gefährlichen Stromschlag bekommen:

Mindestens das Oszilloskop nimmt Schaden, denn der sehr hohe Kurzschlussstrom kann die Elektronik zerstören oder die Leiterbahnen auf den Platinen verdampfen lassen.

Fazit: Niemals Netzspannung mit dem Oszilloskop direkt messen! Niemals!

Indirekt geht es - mit einem Trenntrafo. Trenntrafos haben primär und sekundär gleich viele Wicklungen, also gleiche Ein- und Ausgangsspannungen aber eben - wie jeder normale Trafo - keine ohmsche Verbindung zwischen Ein- und Ausgang. Trenntrafos sind leider teuer, darum besitze ich keinen.

Vorsicht auch bei Schaltungen, die über USB vom PC versorgt werden

... denn die Masseleitung in USB-Systemen liegt beim PC ebenfalls am Schutzleiter (Erde) der Hausinstallation, gleich wie beim Oszi. Das kann Konsequenzen haben. Ein Beispiel: Im Beitrag Messen mit dem Oszilloskop wird beschrieben, wie man hochfrequente Signale z.B. an einem Quarz misst. Das hört sich nicht gefährlich an und für den Bastler selbst ist es das auch nicht, aber möglicherweise für die Elektronik oder einen angeschlossenen PC.

Im Beispiel soll die Sinus-Schwingung am Quarz gemessen werden. Dazu wird die Masse der Tastspitze mit der Masse des Geräts verbunden, indem am Metallblech der USB-Buchse die Krokodilklemme der Messspitze befestigt wurde. Soweit, so gut. In manchen Schaltungen ist die Masse nicht so eindeutig zu erkennen. Wenn man dann die Oszi-Masse mit einem Signal der Schaltung statt mit Masse verbindet, bewirkt das einen Kurzschluss des Signals. Das kann in diesem Beispiel den PC zum Absturz bringen oder die Elektronik zerstören. Die Schaltung ist übrigens ein Programmierer für Microcontroller.

Wenn es möglich ist, dann schließt zur Messung bzw. Fehlersuche die USB-Schnittstelle über ein USB-Steckernetzteil an. Ein Steckernetzteil stellt eine galvanische Trennung von der Gerätemasse und dem Schutzleiter her. Dann kann nichts passieren - oder sei vorsichtig.