Alle Hobbybastler (neudeutsch "Maker") besitzen ein Multimeter. Mit dem können Sie Strom, Spannung, Widerstand und manchmal auch andere Größen messen. An einem Trafo z.B. dessen Ausgangs-Wechselspannung. Wenn das Multimeter 26,8V AC anzeigt, was bedeutet dann dieser Wert? Der Wert ist der Effektivwert der Wechselspannung, nicht deren Spitzenwert. Die Mathematik sagt: Wenn man den Effektivwert einer Sinusspannung kennt, kann man deren Spitzenwert ausrechnen, im Beispiel: 26,8V mal Wurzel aus 2 = 37,9Vss.
Mit einem Oszilloskop kann man den Verlauf einer sich wechselnden Spannung über der Zeit sichtbar machen und im Beispiel die Behauptungen der Mathematik auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen ;-).
1. Versuch - Messen einer Wechselspannung
Der Versuchsaufbau der Messung mit dem Multimeter:
Meine alte Weller-Magnastat-Lötstation habe ich während meiner Ausbildung 1982 als AZUBI gekauft. Ich hatte in den folgenden Jahrzehnten keinen Grund, eine andere Station zu erwerben, denn sie funktioniert nach wie vor problemlos obwohl sie nahezu täglich im Einsatz ist. Sämtliche meiner Projekte wurden mit ihr gelötet. Sie besitzt ein Gimmick, welches ich für dieses Beispiel nutzen möchte - einen 24V-AC-Ausgang von ihrem Trafo an zwei Bananenstecker-Buchsen geführt. Der ist DIN-gerecht verdrahtet und trennt die Netzspannung galvanisch vom Ausgang. Galvanisches Trennen macht Messen mit Oszilloskopen ungefährlich. Ein Beitrag von mir dazu: Messen mit dem Oszilloskop - Gefahr!
Das Multimeter misst 26,8 Volt am unbelasteten Trafo der Lötstation (Das Multimeter ist kalibriert). Daraus ergeben sich rechnerisch die oben genannten 37,9 Volt Spitzenspannung. Mal sehen, ob das stimmt.
2. Das Ergebnis im Oszilloskop:
Die Mathematik hat recht behalten. Sogar eine Punktlandung hat sie hingelegt. Sie errechnete 37,9V gemessene 37,8V stehen dem gegenüber. Der Fehler ist vernachlässigbar.
Ein Oszilloskop soll Spannungsverläufe sichtbar machen und Spannungen optisch ins Verhältnis zueinander und zur Zeit setzen. Präzises Messen gehört nicht zu den primären Erwartungen. Mit meinem 400€ - Maker - Oszi geht Präzision nur mit Einschränkungen. Aber 0,1V Abweichung bei fast 40V ist - finde ich - sensationell. Die geringe Abweichung hat mich selbst überrascht.
2. Versuch - Messen einer Spannung allgemein
Beim Messen von Spannungen, kann es im Gegensatz zu Multimetern bei Oszilloskopen zu Problemen kommen, wenn die Spannungsquellen hochohmig sind. Ein Beispiel: Gemessen werden 5V an einen Spannungsteiler, 2 x 1M:
Im Multimeter ist das Ergebnis für Ua klar - rund die Hälfte:
Messen wir an der selben Stelle mit dem Oszi nach;
1,66V ist nicht mal in der Nähe der erwartenden rund 2,5V. Was ist denn da passiert? Der Eingangswiderstand macht uns einen Strich durch die Rechnung!
Ein Multimeter hat einen Eingangswiderstand im >10MOhm-Bereich, Oszilloskope haben leider einen von nur etwa 1M und belasten die Messquelle wie 10 Multimeter. Der Eingangswiderstand steht in aller Regel direkt an den Eingängen aufgedruckt dran:
Der Eingangswiderstand des Oszis liegt beim Messen parallel zum Spannungsteilerwiderstand von 1M. Es handelt sich jetzt um einen belasteten Spannungsteiler. Im Resultat ergibt die Parallelschaltung des Festwiderstands und des Eingangswiderstands 0,5 M:
Rechnerisch teilen sich dadurch die 5V auf in drei Teile. Zwei Teile oben und ein Teil unten (Ua). 5V/3 Teile = 1,66 V. Exakt der Wert, den wir mit dem Oszi gemessen hatten. Der Eingangswiderstand des Oszis war der Übeltäter!
Fazit: Beim Messen einer Spannung kann der geringe Eingangswiderstand eines Oszilloskops die Messquelle so stark belasten, dass die Messung unbrauchbar wird.
1M Eingangswiderstand sind relativ niedrig um innerhalb von Schaltungen zu messen, denn dort sind die Spannungen oft sehr klein und die Widerstände oft sehr groß. Was tun?
Schaltet für immer auf 10X um!
Jede Messspitze beim Oszi besitzt einen 1X auf 10X Umschalter. Wenn man auf 10X umschaltet, wird ein 9M - Widerstand in Reihe zur Messpitze geschaltet. Dadurch erhöht sich der Eingangswiderstand des Oszis auf 10M! Natürlich sinkt dadurch auch die Eingangsspannung auf 1/10 ab, aber die Belastung der Messquelle sinkt stark und das ist das Wichtige!.
Umgeschaltet wird an zwei Stellen. Einmal am Messkopf:
und auch am Oszi, damit dieses weiß, dass die ankommende Spannung nur 1/10 der gemessenen Spannung ist und das Ergebnis korrigieren kann.
Die gleiche Messung mit 10X stimmt jetzt:
Erkenntnis: den 1X-Bereich der Messspitze braucht man nicht. Man kann ihn getrost vergessen und Messspitze und Oszi dauerhaft auf 10X eingestellt lassen. Beim Thema Kompensation komme ich auf die Vorteile des 10X-Modus nochmal zurück.
Kompensation - Wechselspannungen messen
Wenn wir eine hochfrequente Wechselspannung messen wollen, z.B. an einem Quarz, müssen wir mit der Messspitze an einen der Quarzpins gehen. Im Schaltbild ist der Quarz (8MHz) zu sehen. Er wird flankiert von zwei 10pF-Kondensatoren. Ohne die schwingt er nicht.
Misst man die Spannung am Quarz-Pin, sieht die so aus:
Zum Glück ist mein Oszilloskop kompensiert. Mein Oszilloskop hat 1M Eingangswiderstand, zudem aber auch 18pF Eingangskapazität. Wenn man unkompensiert misst, dann wird einer der zwei Kondensatoren des Quarzes von je 10pF plötzlich 28pF haben, also das Dreifache. Wahrscheinlich wird das Schwingen dann aufhören.
Wie immer die Frage: Was tun? Die Lösung bietet die 10X-Umschaltung. Neben dem ohmschen 9M-Widerstand wird beim Umschalten ein kleiner Kondesator (5pF) parallel zum 9M-Widerstand zugeschaltet. Er ist einstellbar und mit ihm kann die Eingangskapazität des Oszilloskops zu 0pF kompensiert werden. Nur so war diese Messung überhaupt möglich. Die Kompensation erfolgt über einen Drehkondensator, der seitlich an der Messspitze angebracht ist;
Das Kompensieren der Messspitzen
Zum Kompensieren der Eingangskapazität des Oszis haben die Messspitzen einen Trimmkondensator eingebaut. Er wird kalibriert mittels einem 1-kHz-Rechtecksignal, das die Oszis von Haus aus zur Verfügung stellen:
Bei Über-oder Unterkompensation sieht das Bild so aus:
Wenn es dann korrekt eingestellt wurde so:
Jetzt ist für die Messquelle die Eingangskapazität des Oszis wegkompensiert.
Fortsetzung folgt.